PODIUMSGESPRÄCH
Abendveranstaltung am 18. September 2024
19 Uhr (s.t.), Alte Mensa – Linke Aula
Wie lässt sich im Jahr 2024 Geschichte schreiben? Mit Blick auf den Einfluss, den generative Sprachmodelle für das historische Erzählen erhalten haben, stellt sich die Frage nach einem Linguistic Turn in neuer Form – auch in der Geschichtsdidaktik. Dass die Geschichtswissenschaft erzählend verfasst ist, stellt für Historikerinnen und Historiker eine Selbstverständlichkeit dar, während es Lernenden – an der Universität oder in der Schule – oft schwerfällt, die narrativen Strukturen zu erkennen. Die generative KI hat sich – spätestens mit der vereinfachten Zugänglichkeit durch die ChatBots – zu einem viel beachteten, aber noch wenig erforschten Akteur im Bereich des historischen Erzählens entwickelt. Mit diesem Wandel sind im Fach Geschichte viele Fragen verknüpft: Welchen Nutzen für das historische Erzählen haben die ChatBots und wie unterscheiden sie sich untereinander im Hinblick auf akademische bzw. populäre Geschichte? Welche Formen des Erzählens beherrschen die Modelle? Können sie beispielsweise besser kontrafaktisch oder rezensierend narrativieren? Welche Auswirkungen hat das auf den Geschichtsunterricht – nehmen die ChatBots beispielsweise den Lernenden die Arbeit des Schreibens ab oder erleichtern sie diese? Wird im Geschichtsunterricht der Zukunft mit Hilfe der generativen KI mehr Geschichte erzählt oder weniger? Verlieren oder gewinnen die Kriterien der Triftigkeit aus Sicht der Jugendlichen an Bedeutung?
Nimmt man die Präsenz von Geschichte in der Gesellschaft insgesamt in den Blick, geraten geschichts- und erinnerungskulturelle Aspekte in den Fokus. Bereits seit mehreren Jahren wird im Fach und in der Öffentlichkeit beispielsweise über die Ansätze diskutiert, Zeitzeugen mittels Hologrammen für die Nachwelt zu konservieren. Mit der Frage „Holt KI bald die Toten zurück?“, deuteten die Macher des ARD-KI-Podcasts im Herbst 2023 auf eine weitergehende Form der KI-basierten Möglichkeiten hin, die auf Lernplattformen bereits als besonders attraktiv beworben wird: Der Chat mit historischen Persönlichkeiten. Auch in diesen Kontexten stellen sich viele Fragen, u.a. inwiefern es geschichtsdidaktisch plausibel und für ein historisches Lernen gewinnbringend ist, mit einem Sokrates oder Sophie Scholl simulierenden Chatbot über das Denken und Leben der historischen Persönlichkeiten zu chatten.
Diese und weitere Fragen werden die Teilnehmenden im Podiumsgespräch „ChatGPT schreibt (die) Geschichte?“ diskutieren. Anhand konkreter Beispiele werden sie ihre Sehepunkte erläutern und problematisieren, ob KI und ihre leicht zugänglichen ChatBots Fluch oder Segen für das historische Lehren und Lernen sind.
Die Veranstaltung wird moderiert von Philine Sauvageot (SWR Kultur). Es diskutieren: Maylin Amann (Geschichtslehrerin am Bischöflichen Willigis Gymnasium Mainz), Dr. Christine Gundermann (Professorin für Public History, Universität zu Köln), Oliver Held (Geschichtslehrer und Autor von „ChatGPT im GU“), Anja Neubert (Mitarbeiterin in der Geschichtsdidaktik, Universität Leipzig), Prof. Dr. Anja Ballis (Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur und des Deutschen als Zweitsprache, Ludwig-Maximilians-Universität München) und Dr. Gerhard Lauer (Professor für Buchwissenschaft und Leseforschung, Universität Mainz).
Im Anschluss bietet sich bei einem kleinen Empfang die Möglichkeit zum weiteren Austausch und intensiven Gesprächen. Die Teilnahme an der Abendveranstaltung ist kostenlos. Sofern Sie nicht an der Fachtagung teilnehmen, bitten wir aus organisatorischen Gründen um eine formlose Mail an kgd2024@uni-mainz.de.